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Taschenbuch:   ISBN: 9783754943144
eBook(ePub):   ISBN: 9783754943168
Seiten: 507

 

Inhaltsangabe:

Der Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, Spitzname Lüppi, und sein Team ermitteln in sieben Altfällen und dem neuen Mordfall. Mit der Zeit stellen sie fest, alles hängt zusammen und hat auch mit der internen Ermittlung zu tun, womit sie beauftragt worden sind. Keiner von ihnen ahnt, dass es sich um einen der komplexesten Fälle handeln wird. Dieser Fall fordert alle Kraft im Team und wird lebensbedrohlich für zwei von ihnen. Die Ermittlungen werden die umfangreichsten, in denen Lüppi je ermittelt hat.
Achtung, Leserhinweis:
Dieser Roman ist nichts für Leute, die gerne einmal nur ein bisschen ‚schmökern‘ wollen und in größeren Abständen weiterlesen.
Bei Band 5 handelte es sich um die Fortsetzung von Band 4.

 

Leseprobe:

10. August 1995, Donnerstag, 7.00 Uhr
Essen Frohnhausen

Das Telefon schellte an dem Morgen mal nicht bei den beiden. Auch wurde kein weiterer Toter gemeldet. Somit saßen Lüppi und sein Schatz gemütlich am Kaffeetisch zusammen und tranken wie üblich ihre erste Tasse Kaffee. Lüppi erzählte seiner Torti von Dirk´s Zuspätkommen am Vortag und den Verdächtigungen von dessen Arbeitskollegen. Schnell kamen sie noch einmal auf die abgeschlossenen Mordfälle zu sprechen. Beide fassten zusammen, wie der Ablauf von allem war.

„Ich finde, diese Fälle waren noch schlimmer als die Morde im Hotel Amadeus“, sagte Torti.

„Stimmt und noch schwieriger zu lösen als die anderen“, bestätigte Lüppi.
Kurz vor halb acht verließen beide die Wohnung und verabschiedeten sich mit Küsschen. Lüppi´s Tochter, Petra, wartete schon am Auto, um mit ihm zum Präsidium zu fahren. Mario, ihr Freund nahm seinen eigenen Wagen, um zur Staatsanwaltschaft zu fahren. Heike, Gördi und Tochter Nina kamen auch aus dem Haus. Wie ebenfalls üblich hatte Lüppi eine Butterbrotstüte von seiner Torti dabei. Torti winkte den drei Fahrzeugen hinterher als diese die Kölner Straße entlangfuhren. Sie ging mit Nina zur Straßenbahnhaltestelle der Linie 109, um zur Schreinerei zu fahren, wo Torti im Büro arbeitete. Nina freute sich darauf ihre nächste Schachfigur schnitzen zu können.

 

Donnerstag, 10,00 Uhr
Italien, Sizilien
Ort, Novara di Sicilia

Der oberste Boss der Sizilianischen Organisation, Bernardo Carbone, wartete auf seine zwei Spezialkräfte, die Brüder Marco und Antonio Mancini, auch genannt die Mancini-Brüder. Beide hatte er zum Frühstück auf seine mit Weinreben überdachten Terrasse gebeten. Er wollte von ihnen nun genau erfahren, was mit dem Anwalt Sorrentino passiert war. Beide Brüder waren 22 Stunden lang von Essen bis zum Ort Novara di Sicilia durchgefahren. Dort waren sie mitten in der Nacht um 2 Uhr angekommen. Sie hatten die restliche Nacht in einem der Gästezimmer verbracht. Der Maserati Quattroporte der beiden, mit Kennzeichen MI für Milano, stand auf dem Anwesen.
Maria, die gute Seele des Hauses, kam zu ihm und sagte.

„Signore Carbone, die beiden sind wach und kommen jetzt gleich zu Ihnen.“
Dann ging sie wieder. Es dauerte noch eine Viertelstunde bis Marco und Antonio die
überdachte Terrasse betraten.

Buon giorno, Bernardo“, grüßten beide und blieben am Tisch stehen, der für fünf Personen gedeckt war.

Buon giorno“, grüßte er zurück. „Setzt euch.“
Was die beiden taten. Maria kam und brachte zwei Espressi für sie.

„Signore Carbone, möchten Sie noch auf die anderen beiden warten?“, erkundigte sie sich.

„Ja, wir warten noch“, bekam sie zur Antwort und ging wieder.

„Dürfen wir fragen, wer noch kommt?“, erkundigte sich Marco.

„Ja, dürft Ihr. Giacomo und ein wichtiger Gast“, antwortete Signore Carbone. „Erzählt mir, was genau dort im Ruhrgebiet schiefgelaufen ist und warum ihr es für nötig gehalten habt unseren Anwalt auf eine Reise zu schicken.“
Beide berichteten von dem Hamit-Clan, den Ermittlungen der Essener Polizei in zwei Mordfällen und dass die Geschäftsbeziehungen mit dem Kunstfälscher aufgedeckt worden waren. Des Weiteren erzählten sie von dem hinterhältigen Verhalten der vier Hamit-Bosse, die dafür gesorgt hatten, dass sein alter Freund, Michele Alessandro Mascali, hintergangen und ihm eine wertlose Halle angedreht worden war. Signore Mascali hatte zwar Nevio Sorrentino gebeten sich alles genau anzusehen, um festzustellen, ob alles okay wäre, was der Anwalt aber nicht getan hatte. Er und die Hamit-Bosse waren schuld, dass dieses lukrative Geschäft im Ruhrgebiet verhindert worden war und sie 8,9 Millionen Lire verloren hatten. Bernardo Carbone sagte die ganze Zeit nichts und hörte nur zu. Als Marco fertig war schaute er, wie häufig, von der
Terrasse hinunter Richtung Meer, was weit weg zu sehen war. Keiner der drei sagte etwas, schließlich drehte Bernardo Carbone sich zurück und schaute die beiden an.

„Bene, ich kann eure Entscheidung nachvollziehen und bin mit eurem Tun einverstanden. Ihr zwei habt richtig gehandelt. Also, alles gut, dann brauchen wir jetzt halt einen neuen Anwalt in Deutschland.“

„Was passiert jetzt mit Signore Mascali?“, fragte Antonio.

„Das wird uns gleich unser Gast sagen, den Giacomo hierherbringt“, antwortete Signore Carbone. „Es sieht wohl ganz gut aus, so wie ich mir das vorgestellt habe.“
Maria kam und sagte,
Giacomo und der Besuch wären da.

„Sollen zu uns kommen“, erwiderte Signore Carbone.
Maria ging, um die beiden zu holen.

„Was ich nachher von euch noch wissen möchte ist, was schlagt ihr vor, was wir mit dieser Hamit Familie machen“, sagte Signore Carbone. „Ungestraft können die nicht davon- kommen.“

„Das sehen wir genauso“, antwortete Marco.

 

Donnerstag, 11.00 Uhr
Polizeipräsidium Essen
Kriminalinspektion 1 – KK11

Die Rechtsmedizinerin, Dr. Stefanie Schneider, betrat das Büro der sechs. Sie hatte drei Obduktionsberichte dabei. Nach dem üblichen Gruß in den Raum hinein und den entsprechenden Antworten, sagte sie, sie hätte die fehlenden Obduktionsberichte dabei und übergab sie Lüppi. Der wiederum fragte, ob etwas drinstehen würde, was sie noch nicht wüssten. Frau Doktor sagte nein, es wären keine neuen Erkenntnisse dabei. Die Todeszeitpunkte konnten aber eingegrenzt werden. Lüppi nahm die Aussage zur Kenntnis und legte die Berichte zur Seite.

„Was machen die drei anderen Morde?“, fragte Stefanie. „Wisst ihr jetzt, wer das war?“

„Ja, wissen wir und schließen heute die Fälle mit den Wachleuten ab“, antwortete er und klärte sie auf, wie es sich verhalten hatte. Auch für Stefanie war diese Entwicklung eine Überraschung. Eckerhard kam kurz dazu und bat Stefanie einmal zu sich. Beide verließen gemeinsam wieder das Büro.
Eine Stunde später legten Petra und Conny die beiden Fallakten der Wachmänner auf Lüppi´s Schreibtisch ab, der beide Frauen dabei ansah. Er nahm die erste Akte von Olaf Pader, blätterte sie kurz durch, nahm seinen Kugelschreiber und schrieb seinen berühmten Abschlusssatz auf die Vorderseite des Pappdeckels.

‚Ein Mann, der mit 30 Jahren mitten im Leben stand und Familienvater war, musste sterben, weil ein anderer von seiner Familie gesagt bekam, er könne nicht zusehen wie ein fremder Mann sein Kind groß- ziehen würde. Mein Mitgefühl gilt der jungen Familie.‘
M. Lüpke


Auch die zweite Akte von
Anton Beyfang schaute er kurz durch und schrieb auch dort den Abschlusssatz auf den Deckel.


‚Mit 25 Jahren hat man das ganze Leben noch vor sich. Es sei denn, man begegnet einem anderen, der besser nie geboren worden wäre.
Vielen Menschen wäre dann sehr viel Leid erspart geblieben, denn wer einem anderen nach dem Leben trachtet und das aus Benzinmangel und taktischen Gründen, hat es nicht verdient auf dieser Welt zu leben.‘
M. Lüpke

 

Dann nahm er die beiden Fallakten und gab sie Petra, die mit Conny zusammen beide Abschlusssätze durchlas. Als beide fertig waren, fragte Conny, ob sie die Akten in die Registratur bringen solle.

„Nein, lass sie bitte hier liegen. Da kommen gleich bestimmt noch welche und wollen das auch lesen“, antwortete Petra.
Conny war überrascht über diese Vorhersage. Wie recht sie damit hatte, zeigte sich eine Stunde später.

 

Donnerstag, 13.00 Uhr
Polizeipräsidium Essen

Lüppi hatte die Duisburger Firma ‚Italienischer Großhandel Lombardi‘ angerufen. Er sprach mit Alessio und teilte ihm mit, was sich ereignet hatte. Alessio rief seinen Bruder Antonio dazu und sagte ihm, was Lüppi ihm erzählt hatte.

„Dann sind die Mancini-Brüder schon wieder davongekommen“, stellte Antonio fest, was Lüppi mitbekam.
Nach weiteren Wortwechseln waren mehrere Schritte auf dem Gang zu hören. Kaum hatte Lüppi dies wahrgenommen, beendete er das Gespräch und es klopfte auch schon an der offenen Bürotür.
Mit vier Mann deutete sich hoher Besuch an. Es kamen Kriminaldirektor Lothar Bäumler, der Kriminalrat Eckerhard Schuster und zwei Herren, die gut bekannt waren, ins Büro. Das waren Petra´s Freund Mario mit seinem Chef, dem Oberstaatsanwalt Marcel Pohlmeier. Alle grüßten freundlich und Marcel schloss hinter sich die Tür. Nachdem sich die vier an den Besprechungstisch gesetzt hatten, nahmen auch Heike, Gördi und Lüppi dort Platz.

„Bevor wir anfangen über das zu reden, weswegen wir hier sind, kann ich mal die beiden Akten der Wachleute haben?“, fragte der Kriminaldirektor.
Petra stand auf und gab sie ihm. Er schaute sich beide an und meinte zu dem Abschlusssatz auf der Akte von
Anton Beyfang.

„Hoppla. Das ist ja hart an der Grenze.“
Marcel bekam auch die Akte zu sehen und meinte nur.

„Passt schon!“
Eckerhard bat Petra, Conny und Chris sich mit an den Besprechungstisch zu setzen. Als alle saßen, berichtete Marcel.

„Übrigens, vorab noch etwas, unser Herr Mascali wird heute nach Frankfurt am Main verlegt. Die Oberstaatsanwältin, Frau Dr. Schiehmann, von der Generalstaatsanwaltschaft hat das angeordnet. Italien hat wohl auch einen Auslieferungsantrag gestellt. Das war es für uns.“

„Dann habe ich da vorab noch eine Frage“, fing Herr Bäumler an und sah dabei zu Lüppi. „Wie sieht es mit Frau Aschbacher und Herrn Franke aus? Sie möchten bestimmt, dass die beiden hier bei Ihnen bleiben, nicht wahr?“
Lüppi schaute zu Chris und danach zu dem Kriminaldirektor.

„Frau Aschbacher, ja. Den Herrn Franke können Sie versetzen“, sagte Lüppi und alle sahen ihn völlig perplex an. Vor allen Dingen Chris, der damit nicht gerechnet hatte.

„Aber, Papa“, reagierte Petra sichtlich erschrocken.

„Herr Bäumler, ich schlage vor, Sie versetzen ihn in die KK31, da kann er bestimmt ganz toll ermitteln“, ergänzte Lüppi noch, ohne eine Gesichtsregung.
Eckerhard stand der Mund auf und Marcel meinte.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst?“
Nur Gördi verstand, was sein Freund in Wirklichkeit meinte und sagte daher.

„Da gebe ich dir Recht, Chris wird in der KK31 bestimmt ganz tolle Arbeit leisten können… für uns hier.“
Heike sah ihren Gerhard an und langsam dämmerte es auch ihr. Chris verstand, wie Lüppi das gemeint hatte und lächelte ihn an.

„Sie meinen, einen verdeckten Einsatz?“, fragte er nach.

„Ganz genau, aber das SIE lasst ihr zwei ab jetzt mal weg. Ich bin Lüppi.“
Beide freuten sich, dass DU angeboten bekommen zu haben, was sie ihm auch sagten.

„Okay, jetzt habe auch ich es verstanden“, gestand Marcel und Kriminaldirektor Bäumler meinte noch.

„Ja, das ist eine gute Idee… der Herr Franke ist hier auch gar nicht richtig, Sie passen viel besser in die Abteilung von Herrn Uellendahl, vorerst.“
Eckerhard war auch angekommen und lächelte wieder.
Herr Bäumler ergriff erneut das Wort.

„Wie Sie alle wissen, habe ich gesagt, wenn die Fälle der beiden ermordeten Wachmänner aufgeklärt sind, möchte ich, dass Sie, Lüppi, sich mit Ihren Leuten um die KK31 kümmern. Wie wir leider von dem LKA Direktor, Hans Hoinger, erfahren mussten, gibt es bei unserem Kollegen Herrn Uellendahl mehrere Anhaltspunkte für eine interne Ermittlung.“
Herr Bäumler schaute alle einmal an und sprach weiter.

„Das davon nichts nach draußen dringen darf, versteht sich von selbst. Außerhalb der hier Anwesenden möchte ich Sie alle bitten, mit niemandem darüber zu sprechen.“
Alle nickten zustimmend.

„Unsere ‚Sonderermittlerin‘ ist natürlich mit einbezogen“, fügte Eckerhard noch an.

„Na klar, die ‚Sonderermittlerin‘ darf natürlich eingeweiht werden“, bestätigte Herr Bäumler und grinste.

„Wer bitte ist denn jetzt diese ‚Sonderermittlerin‘, kann mir das bitte mal jemand sagen?“, fragte Conny.

„Die wirst du dann kennenlernen, wenn wir uns ab morgen wieder öfter in der KK11 Außenstelle aufhalten werden“, versprach Gördi.

„Haben wir wirklich eine Außenstelle?“, fragte Chris nach. „Ich hatte das bis jetzt für einen Scherz gehalten.“

„Das ist kein Scherz“, antwortete Herr Bäumler. „Diese Außenstelle der KK11 gibt es wirklich, genauso wie es die ‚Sonderermittlerin‘ gibt. Beides ist aber streng vertraulich.“
Chris und Conny konnten kaum glauben was sie hörten, da aber Herr Bäumler es sagte, musste es ja stimmen.
Das Telefon von Petra schellte. Sie stand auf und ging dran.

„Kriminalkommissarin Petra Wilkerling, guten Tag.“
Es war der wachhabende Kollege aus der Wache von unten, der mitteilte.

„Petra, da haben sich zwei Kollegen gemeldet, die zu einem männlichen Leichenfund gerufen worden sind. Es müsste einer oder zwei von euch dort hin. Die beiden meinen, es sieht nach einem Unfall aus.“

„In Ordnung, wo ist das denn?“, fragte Petra nach.

„Im Schürmanns-Weg 25, bitte bei Zeuner klingeln.“

„In Ordnung“, erwiderte Petra. „Ich sage Lüppi Bescheid, wir kommen.“
Alle sahen sie fragend an.

„Lüppi“, sagte Petra. „Wir haben eine männliche Leiche
‚Im Schürmanns-Weg 25‘.“

„Dann fahr mit Conny dahin“, erwiderte Lüppi.
Conny und Petra schauten sich an und verließen kurze Zeit später das Präsidium.

„Also, dann machen wir das so“, fasste Herr Bäumler zusammen. „Sie, Herr Franke, wechseln in geheimer Mission in das Kriminalkommissariat 31. Ermitteln dort verdeckt und berichten regelmäßig an Ihren eigentlichen Chef, Herrn Lüpke. In welchen Abständen und in welcher Form Sie dies tun, sprechen Sie bitte mit ihm ab“, mit diesen Worten sah er zu Lüppi und fragte ihn. „Ist das so in Ordnung für Sie?“

„Von meiner Seite, auf jeden Fall“, bestätigte er.

„Ja, prima. Was ist eigentlich mit den Morden an den vier Männern der Hamit-Familie?“, erkundigte sich Herr Bäumler als nächstes.

„Da sind wir daran“, antwortete Lüppi und sagte weiter. „Wir gehen aber davon aus, es waren nicht die Brüder Marco und Antonio Mancini. Der italienische Text ‚avere colpa‘ diente nur zur Ablenkung und sollte uns auf eine falsche Spur führen.“

„Aha, wie kommen Sie darauf?“

„Der italienische Text ‚avere colpa‘ heißt zu Deutsch
‚Haben Schuld‘. Auf Sizilien wird zwar auch Italienisch gesprochen, nur mit dem Unterschied, Sizilianer würden in dem Fall ‚aviri curpa‘ sagen und nicht ‚avere colpa‘.“

„Und das wissen Sie woher?“, fragte Herr Bäumler.

„Von Alessio Lombardi, dem Chef von ‚Italienischer Großhandel Lombardi‘ aus Duisburg. Viele Italiener wissen überhaupt nicht, dass es auf Sizilien einige andere Begriffe und Worte gibt, als auf dem Festland.“

„Sie glauben also, da wollte jemand den Mancini-Brüdern den vierfachen Mord in die Schuhe schieben?“, fragte er nach.

„Genauso sieht das für uns aus“, antwortete Lüppi und sah Herrn Bäumler an. „Allerdings fragen wir uns auch, wie der Mord an Agon Hamit damit zusammenpasst. Denn er hatte ein Wort in seine Stirn geritzt und das auf Deutsch.“

„Welches Wort war das?“

„Das Wort ‚Verurteilt‘.“

„Das ist wirklich merkwürdig. Die vier Morde mit italienischem Text und der einzelne Mord mit einem deutschen Wort!“, fasste Herr Bäumler zusammen und machte einen nachdenklichen Eindruck.

„Entweder war das Absicht oder es waren wirklich zwei verschiedene Täter“, überlegte Eckerhard laut, was nun eigentlich schon gesagt worden war.

„Das müssen wir herausfinden“, bestätigte Lüppi.
„Und da war noch etwas“, sagte Lüppi weiter und Heike reichte zwei Beutel zur Beweissicherung dem Kriminaldirektor. Der eine beinhaltete eine Patrone und der andere einen Zettel. Er nahm die Beutel in die Hand und las vor, was auf dem Zettel stand.

„Für die Polizei zum Andenken.“
Den anderen Beutel mit der Patrone sah er sich an.

„Die Patrone war in der Hosentasche von Agon Hamit mit diesem Zettel“, ergänzte Heike noch.

„Dann ist da noch der Mord an dem Anwalt Nevio Sorrentino“, erinnerte Lüppi.

„Da ist aber kein Wort oder ein Text gefunden worden?“

„Nein, ist nicht“, bestätigte Heike.

„Na, gut“, sagte Herr Bäumler und sah zu Chris.
„Herr Franke, dann kommen Sie bitte einmal mit mir. Wir gehen dann jetzt in mein Büro.“

„Herr Bäumler, gehen Sie doch schon mal vor. Ich gebe unserem Kollegen noch meine private Anschrift. Er kommt gleich nach“, sagte Lüppi.
Kriminaldirektor Lothar Bäumler nickte zustimmend und verließ zusammen mit Kriminalrat Eckerhard Schuster das Büro.

 

Donnerstag, 13.15 Uhr
Italien, Sizilien
Ort, Novara di Sicilia

Giacomo und der Besucher waren dabei sich von dem obersten Boss der Sizilianischen Organisation, Bernardo Carbone, und den Mancini-Brüdern zu verabschieden.

„Fliegen Sie noch heute nach Genua zurück?“, erkundigte sich Signore Carbone.

„Nein“, sagte der Besucher. „Ich bleibe noch bis Sonntag hier. Ich habe entfernte Verwandte hier auf Sizilien. Die leben nicht weit weg von dem Ort Taormina, die besuche ich jetzt. Außerdem ist es besser, wenn ich meine Hände in Unschuld waschen kann, wenn Signore Mascali durch einen Fehler auf freien Fuß gesetzt wird. Zudem ist es ja auch glaubwürdiger, wenn ich wegen der angeblichen Tante hier ein paar Tage bin.“

„Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Aufenthalt auf Sizilien“, sagte Signore Carbone und stand auf, um dem Besucher die Hand zu geben.
Dieser nahm sie und fragte nach: „Und Sie sind sich sicher, das mit der Villa am Gardasee klappt?“

„Ist schon alles veranlasst. Die Villa wird in diesem Augenblick geräumt und steht ab Montag Ihnen zum Kauf zur Verfügung, wie vorhin besprochen“, antwortete Signore Carbone. „Und Ihr angebliches Erbe von Ihrer Ihnen nicht bekannten Tante ist auch schon in die Wege geleitet. Wenn Sie am Dienstag zurück in Genua sind, wird alles offiziell gemacht und Sie als Alleinerbe bekanntgegeben. Ich verspreche Ihnen, es wird niemand auf die Idee kommen, dass Sie nicht gerbt haben könnten. So etwas machen wir nicht zum ersten Mal. Den Kaufvertrag der Villa können Sie dann Mitte nächster Woche unterschreiben.“
Der Besucher machte ein zufriedenes Gesicht, schüttelte die die rechte Hand von Bernardo Carbone und sagte noch.

„Dann bedanke ich mich bei Ihnen, Signore Carbone und sage Ciao. Wenn ich Ihnen irgendwann noch einmal helfen kann, sagen Sie es“, versprach Richter Dr. Montanari, der bei der deutschen Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main die Überstellung von Michele Alessandro Mascali nach Italien veranlasste hatte. Giacomo und Richter Dr. Montanari aus Genua verließen das Anwesen. Als Bernardo Carbone mit den Mancini-Brüdern wieder allein war, fragte er sie.

„Und was sagt ihr?“

„Scheint ja zu klappen, wenn er sich an die Absprachen hält“, antwortete Mario.

„Das wird er. Schaut mal unter den Tisch“, erwiderte Bernardo Carbone.
Antonio bückte sich und sah unter den Tisch.

„Ein Diktiergerät? Wann hast du das denn eingeschaltet?“, fragte er als er wieder hochkam.

 

Donnerstag, 14.00 Uhr
Essen Bergerhausen

Conny und Petra kamen im ‚Schürmanns-Weg‘ an. Eine Art Hochhaus-Siedlung mit jeweils acht Stockwerken erstreckte sich vor ihnen. Das erste Haus, was von der Straße zu sehen war, war Haus Nr. 25. Das Auto parkten sie an der Straße und gingen zu Fuß in Richtung Nr. 25. Der Streifenwagen der Kollegen stand mitten auf dem Fußweg, der so breit war, dass Rettungswagen und Fahrzeuge der Feuerwehr auf den Weg passten. Die Haustür stand offen, mit einem Türkeil festgesetzt. Nach der Klingel-Anordnung war die Wohnung ‚Zeuner‘ im fünften Obergeschoss. Mit dem Aufzug ging es hoch. Auf der rechten Seite stand eine Wohnungstür auf. Conny klopfte an und sagte „Hallo“. Einer der Streifenkollegen kam in die Diele und winkte die beiden Frauen ins Wohnzimmer. Beide betraten es und sahen einen rechteckigen Raum mit Balkon.

„Hallo, Kollegen“, grüßte Petra.
Zwei Couchen mit Tisch und eine Essecke mit Eckbank und zwei Stühlen waren zu sehen. Auf dem Boden lag ein Mann mittleren Alters mit Kopf und Oberkörper auf dem Boden. Die Beine lagen auf einem umgekippten kleinen Fußbänkchen. Eine Art niedlichem Hocker, den man früher als Tritterhöhung benutzte. Seine Füße hingen in der Luft. Blut hatte sich auf dem Teppichboden verteilt.

„Der hat sich selbst erstochen“, sagte einer der beiden Kollegen.
Conny bückte sich und sah ihn sich näher an. Petra schaute auf den Esstisch. Frühstücksutensilien in Form von Brot, Margarine, Aufschnitt und Käse lagen auf dem Tisch. Ein Frühstücksbrettchen und ein Kaffeepott befanden sich auch dort.

„Fehlt eigentlich nur noch das Messer und der Kaffee“, überlegte Petra laut.

„Haben wir auch so gesehen“, bestätigte der eine Kollege, während der andere sagte. „Das Messer steckt in seiner Brust.“

„Stimmt“, bestätigte Conny. „Sieht nach einem Brotmesser aus.“

„Ein Brotmesser, was wollte er denn damit?“ fragte Petra nach.

„Ja, warum?“ fragte Conny zurück.

„Was bitte wollte Herr Zeuner mit einem Brotmesser? Das Brot, welches hier auf dem Tisch liegt, ist fertig aufgeschnitten aus dem Supermarkt. Da braucht man kein Brotmesser für.“
Conny kam aus der gebückten Haltung wieder hoch und schaute selbst auf den Tisch.

„Stimmt, du hast recht, Petra, für das Brot braucht niemand ein Brotmesser“, sagte sie.

„Haben wir so gar nicht gesehen“, sagte der eine Kollege.

„Ich schmiere mir auch öfters meine Schnitten mit einem Brotmesser“, bemerkte der andere.

„Dann hast du aber auch vorher das Brot damit geschnitten, Kollege, oder?“, fragte Petra nach.

„Mmh… stimmt, hast Recht.“

„Passt also schon nicht“, bemerkte Petra.
Conny ging in die Küche, die direkt an das Wohnzimmer anschloss. Sie zog zwei Schubladen auf und schaute hinein.

„Hier liegt normales Besteck drin“, sagte sie.

„Habt ihr die KTU verständigt?“, erkundigte sich Petra bei den beiden.

„Nein, da wir dachten, es wäre ein Unglück gewesen“, antwortete einer der Kollegen.

„Ich funke die Zentrale an“, sagte der andere und nahm sein Funkgerät aus der Gürtelhalterung.

 

Donnerstag, 14.25 Uhr
Polizeipräsidium Essen
Büro Lothar Bäumler

Der Kriminaldirektor hatte den Leiter der KK31, Herrn Uellendahl, zu sich gerufen. Dieser betrat das Büro und stutzte, als er jemanden vor dem Schreibtisch des Kriminaldirektors sitzen sah. Er grüßte knapp und blieb neben den beiden Stühlen stehen.

„Herr Uellendahl, bitte setzten Sie sich zu uns“, sagte im freundlichen Tonfall der Kriminaldirektor.
„Ich darf Ihnen Herrn
Franke vorstellen. Herr Franke ist Kriminalkommissar und kommt aus Frankfurt am Main. Er hat dort im Rotlicht-Milieu verdeckt ermittelt.“

„Guten Tag Herr Uellendahl“, sagte Chris und hielt ihm seine Hand hin.
Herr Uellendahl schaute auf sie und ergriff die Hand. Nach einigen Augenblicken sagte er knapp. „Willkommen.“

„Herr Franke würde gerne weiter in dem Bereich Organisiertes Verbrechen oder Bandenkriminalität tätig sein. Daher habe ich an Ihre Abteilung gedacht. Der Kollege Stiegler hat ja nicht mehr lange bis zur Pensionierung, zwei Wochen um genau zu sein und daher würde sich Herr Franke anbieten. Was meinen Sie dazu?“

„Warum nicht in die KK21? Die sind doch für Organisierte Kriminalität zuständig“, antwortete Herr Uellendahl.

„Das ist richtig, nur ist da keine Planstelle frei und wird auch nicht“, sagte Herr Bäumler, dabei sah er ihn weiterhin an.
Herr Uellendahl schaute daraufhin das erste Mal in Chris Gesicht. Sein Mund formte sich dabei spitz zu und der Kopf nahm eine leicht schräge Haltung ein.

„Na, dann ist das so. Da fällt mir ein, Sie waren doch bis jetzt in der KK11. Was ist denn damit?“, fragte Herr Uellendahl nach.

„Dort ist nur eine Planstelle frei geworden.“

„Ach und der Lüpke wollte Sie nicht?“, fragte er in Richtung Chris.

„Doch, schon, aber ich wollte nicht. Immer nur so einfache Mordfälle ist auf Dauer nichts für mich“, antwortete Chris und lächelte Herrn Uellendahl an.

„Einfache Mordfälle? Wie meinen Sie das denn?“

„Der Kollege Lüpke hat ja bestimmt ganz viel Erfahrung, nur…“, weiter sprach Chris nicht.

„Nur… was?“

„Ach, nicht so wichtig.“

„Jetzt haben Sie den Satz angefangen, jetzt sprechen Sie ihn auch zu Ende“, reagierte Herr Bäumler daraufhin.

„Ja, man hört ja sehr viel über Kollege Lüpke, aber mein Eindruck ist, er sonnt sich nicht zu Recht in der Sonne und erntet Lorbeeren, die ihm nicht zustehen. Das gefällt mir nicht in der KK11.“

„Mit so klaren Worten hat das noch niemand gesagt“, entgegnete Herr Uellendahl.

„Und was meinen Sie jetzt, Herr Uellendahl?“, fragte Herr Bäumler ein zweites Mal.

„Na, dann kommen Sie zu uns in die beste Abteilung des ganzen Polizeipräsidiums. Ein Mann mit klaren Ansichten ist bei uns immer gern gesehen“, sagte Herr Uellendahl.
Chris und Herr Bäumler lächelten Herr Uellendahl an. Kurze Zeit später gingen beide. Als sie ein paar Minuten weg waren, rief der Kriminaldirektor in der KK11 an und teilte Lüppi mit.

„Alles gut gelaufen. Man merkt, Herr Franke macht das nicht zum ersten Mal. Er ist jetzt mit Herrn Uellendahl zur KK31.“

 

Donnerstag, 15.05 Uhr
Italien, Sizilien
Ort, Novara di Sicilia

Der Boss der Sizilianischen Organisation, Bernardo Carbone und die Mancini-Brüder saßen weiterhin zusammen.

„Was ihr mir noch nicht erzählt habt, was schlagt ihr vor, was wir mit den vier Bossen der Hamit Familien anstellen sollen“, sagte Bernardo Carbone.

„Wir haben da schon etwas veranlasst und eigentlich sollten sich auch schon längst unsere Verbindungsmänner gemeldet haben“, teilte Antonio Mancini mit und sah zu seinem Bruder, der daraufhin sein Mobiltelefon nahm und eine Telefonnummer in Deutschland wählte. Genauer gesagt, im Essener Polizeipräsidium. Es schellte am anderen Ende.

„Ja, bitte?“, fragte der Angerufene.

„Mancini hier. Warum melden Sie sich nicht, was ist mit den vier Hamit Bossen?“, fragte Marco und sprach natürlich deutsch mit dem Gesprächsteilnehmer, was Signore Carbone aber nicht verstand, da er nur Sizilianisch bzw. Italienisch sprach.

„Sie sollen doch nicht hier im Präsidium anrufen, das ist zu gefährlich.“

„Wenn Sie sich nicht melden, also, was ist jetzt?“, fragte Marco Mancini nach.

„Die sind erledigt“, antwortete der Polizeibeamte. „Die liegen schon in der Rechtsmedizin.“

„Wie genau sind die vier auf Reisen gegangen?“

„Drei erschossen und einer erdrosselt.“

„Warum erdrosselt?“

„Es fehlte eine Patrone. Ich dachte, es wären noch vier Patronen in der Beretta M9, die ich hatte. Naja, waren aber nur drei drin. Na, auch egal, da habe ich halt einen erdrosselt. Hauptsache tot.“

„Wieso nur drei? Wir haben Ihnen doch sechs Patronen mitgebracht. Sind Sie sich sicher, dass das nicht auffällt?“, wollte Marco wissen.

„Nein, bestimmt nicht, da kommen die von der KK11 nie drauf.“

„Ich will es hoffen, sonst kommen wir noch einmal zu Ihnen. Das wird dann ein Abschlussbesuch!“, sagte Marco und beendete das Gespräch.

„Und, erledigt?“, fragte Signore Carbone.

„Ja, sind abgereist. Viellicht müssen wir noch einmal ins Ruhrgebiet und da noch etwas aufräumen“, sagte Marco.

„Aufräumen und Ordnung halten ist immer gut. Was man nicht mehr braucht, sollte man entsorgen. Wird hinterher immer übersichtlicher und man muss sich auch keine Gedanken mehr um alte Dinge machen“, sagte Signore Carbone.

„Da geben wir dir recht“, antwortete Antonio Mancini.

 

 
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